Es ist gerade sehr angesagt, das Thema Sport für Reiter. Ich glaube wir sind uns auch alle einig, dass der Reiter sich mindestens genauso gut trainieren sollte wie sein Pferd. Es boomen dementsprechend die Sportprogramme extra für Reiter. Das finde ich auch sehr gut, allerdings gibt es da bei mir ein großes Problem: die Zeit! Es fällt mir sehr schwer neben der Zeit im Büro, der Zeit bei den Pferden und allem was sonst noch so ansteht auch noch Zeit für den dringend benötigten Ausgleichssport zu finden.
Dank schlechtem Gewissen dem Pony gegenüber kam mir dann aber die Idee, zumindest in meinem Alltag schon mal mehr für die Fitness zu tun. Daraufhin habe ich in letzter Zeit einiges ausprobiert und war überrascht, an wie vielen Stellen sich etwas Sinnvolles für uns Reiter einbauen lässt. Deshalb habe ich nun ein paar Ideen für euch zusammengestellt. Ich finde sie recht hilfreich und bemerke durch sie eine bessere Balance, Haltung und Beweglichkeit, was sich positiv aufs Reiten auswirkt.
Aber Achtung: ich bin kein Human-Therapeut. Es handelt sich nur um Übungen die ich aus meiner persönlichen Erfahrung heraus für gut befunden habe! Wie gut diese wirklich sind, kann ich mir nicht anmaßen zu beurteilen. Sie ersetzen auch sicher kein richtiges Sportprogramm, aber sie helfen durchaus weiter (ich bemerke zum Beispiel auch eine deutliche Besserung bezüglich meiner bürobedingten Rückenschmerzen).
Die nachfolgenden Übungen haben den Vorteil gut in den Alltag integriert werden zu können. Sie sind meist unauffällig, so dass sie selbst in Anwesenheit von anderen Leuten ausgeführt werden können und sie bringen einen nicht ins Schwitzen, so dass man sie auch machen kann, wenn keine Dusche in der Nähe ist.
1. Selbstkontrolle
Egal wo du sitzt, gehst oder stehst, achte immer darauf gerade und in Balance zu bleiben. Kontrolliere hierzu nach und nach folgende Punkte:
- Belastest du im Stehen beide Füße gleichmäßig bzw. beide Sitzbeine im Sitzen (kannst du nachkontrollieren in dem du dich mit den Sitzbeinhöckern auf deine Handrücken setzt)? Wenn nicht, gleiche es aktiv aus der Hüfte heraus aus ohne zu verspannen.
- Fallen deine Schulterblätter locker nach hinten-unten oder sind sie hoch- und /oder vorgezogen? Lass sie immer locker nach hinten-unten fallen um deine Schulterpartie zu entspannen und die bei vielen verkürzte Brustmuskulatur etwas aufzudehnen.
- Hältst du dein Kinn waagerecht oder doch nach unten geneigt? Halte den Kopf aufrecht und das Kinn gerade, aber ohne es extra hoch oder vor zu strecken.
- Ist deine gesamte Wirbelsäule aufgerichtet oder geht da doch noch etwas mehr? Stell dir vor du hättest wie eine Marionette ein Band oben auf deinem Kopf befestigt, an dem dich einer in die Länge zieht.
Ich wette während du das gelesen hast, hast du bereits deine Haltung Punkt für Punkt verbessert. Nun musst du es nur immer wieder nachkontrollieren, bis die neue Haltung selbstverständlich wird.
2. Training vorm Schlafen
Nachdem ihr euch in euer Bett gekuschelt habt gibt es ebenfalls kleine Übungen die ohne großen Aufwand erledigt werden können.
Legt euch einfach gerade auf den Rücken und drückt eure senkrecht hoch stehenden Fußsohlen abwechselnd aus der Hüfte heraus einige Zentimeter weiter nach unten (die Knie bleiben gerade); macht also mal das eine Bein und dann wieder das andere Bein länger. Dadurch lockert ihr die Hüfte und auch die untere Rückenmuskulatur. Übertreibt es aber nicht. Es geht hier darum es locker und flüssig im Wechsel hinzubekommen und nicht so weit wie möglich.
Zudem wäre in derselben Position natürlich auch die Feldenkrais-Uhr super umzusetzen (hier ein Link für alle, die die Uhr noch nicht kennen: www.lebeninbewegung.at/index.php/news/35-2016/august/53-beckenuhr).
3. Beim Autofahren
Ja, auch hier ist eine Übung leicht zu integrieren. Es ist eigentlich ganz einfach und hat etwas von einem kleinen Spiel:
Nachdem ihr wie unter Punkt 1 beschrieben ausbalanciert im Auto sitzt, ist es eure Aufgabe immer in Bewegungsrichtung zu sitzen. Das bedeutet, so lange es geradeaus geht, bleibt ihr auch schön gerade. In den Kurven belastet ihr allerdings den jeweils inneren Sitzbeinhöcker mehr. Aber bitte nur wie bei einer Gewichtshilfe beim Reiten, also wirklich nur aus der Hüfte heraus, ohne Beteiligung des Oberkörpers.
Ihr sitzt also bei einer Rechtskurve nach rechts und bei der Linkskurve nach links. Dabei müsst ihr gegen die in den Kurven entstehenden Fliehkräfte ankämpfen und das ohne ein Neigen des Oberkörpers oder gar eines Einknickens in der Seite.
Aber bitte Vorsicht: die Sicherheit im Straßenverkehr geht der Übung natürlich vor und je nach Geschwindigkeit und Kurvenstärke wird es quasi unmöglich und sollte dann nicht krampfhaft versucht werden.
4. An- und Abspannen
Egal ob im Sitzen, Stehen oder Liegen, ihr habt die Möglichkeit gezielt Muskeln anzuspannen und wieder zu lösen. Wirklich immer nur einen Muskel gezielt anspannen und das mit zunächst leichter Intensität, die dann ein wenig erhöht wird um danach sofort wieder gelöst zu werden. Es sind wirklich nur max. 3 Sekunden Anspannung die von Sekunde zu Sekunde gesteigert werden können bevor das Lösen erfolgt und der nächste Muskel dran ist.
Für uns Reiter macht das besonderen Sinn bei den Beckenbodenmuskeln und der tiefen Bauchmuskulatur. Aber auch jeder andere Muskel darf so mittrainiert werden.
5. Treppen und Bordsteinkanten als Trainingsgeräte
Wenn euch jemand im Treppenhaus anquatscht und ihr dort hängen bleibt oder ihr auf den Bus wartet oder an irgendeiner anderen Kante länger rumstehen müsst, bietet es sich an, sich mit dem Rücken zu der Kante zu stellen und die Absätze über die Kante hinausragen zu lassen. Ihr steht dann mit dem Gewicht nur noch auf dem vorderen Teil des Fußes und könnt dafür den Absatz immer wieder langsam nach unten sinken lassen um Muskulatur, Sehnen und Bänder zu dehnen.
6. Koordination
Bei der letzten Übung geht es nicht mehr ums Training von Gelenken, Muskeln und Co., sondern um euer Gehirn. Es geht darum, mit der rechten Hand zeitglich eine andere Bewegung auszuführen als mit der Linken.
Zeichnet zum Beispiel mit der linken Hand einen Kreis in die Luft, während die rechte Hand auf und ab geht. Oder versucht mit der rechten Hand einen anderen Takt zu trommeln als mit der Linken. Man kann auch versuchen auf zwei Blättern unterschiedliche Figuren aufzumalen (z.B. ein Dreieck auf dem einen und einen Kreis auf dem anderen) und den Linien danach mit den Zeigefingern der beiden Hände zeitgleich nachzugehen.
Und bevor euch der Kollege gegenüber komisch anguckt, könnt ihr das auch mit den Füßen unter dem Tisch machen. ;o)
Wenn man die Übungen so liest hört es sich nach Kleinigkeiten an, aber glaubt mir, diese Kleinigkeiten haben eine enorme Auswirkung wenn man sie regelmäßig macht. Sie verbessern zwar nicht die Kondition oder verbrennen Unmengen von Kalorien, aber sie helfen euch gerade zu richten, verbessern eure Beweglichkeit an den richtigen Stellen und steigern euer Körpergefühl, sowie eure Koordination. Alles Dinge, die ein guter Reiter braucht. Glaubt ihr nicht? Dann hier die Zusammenhänge:
Punkt 1 betrifft deine Haltung auf dem Pferd
Punkt 2 betrifft die dringend benötigte Beweglichkeit in deiner Hüfte
Punkt 3 trainiert das gezielte geben von Gewichtshilfen
Punkt 4 dient dem verfeinern der Schenkel- und Gewichtshilfen, sowie dem Reiten über Körperspannung
Punkt 5 hilft dir deinen Absatz locker durchschwingen zu lassen
Punkt 6 schult die Trennung der Körperhälften, um eine unabhängige Hilfengebung zu gewährleisten
Viel Spaß beim Ausprobieren!